später sein wird

Christian Hasucha, 2013

später sein wird, Christian Hasucha, 2013, VG Bild-Kunst, Bonn 2019 | Foto: Matthias Groppe
später sein wird, Christian Hasucha, 2013, VG Bild-Kunst, Bonn 2019 | Foto: Matthias Groppe
später sein wird, Christian Hasucha, 2013, VG Bild-Kunst, Bonn 2019 | Foto: Matthias Groppe
später sein wird, Christian Hasucha, 2013, VG Bild-Kunst, Bonn 2019 | Foto: Matthias Groppe
später sein wird, Christian Hasucha, 2013, VG Bild-Kunst, Bonn 2019 | Foto: Stadt Paderborn
später sein wird, Christian Hasucha, 2013, VG Bild-Kunst, Bonn 2019 | Foto: Stadt Paderborn

Zur Skulptur von Christian Hasucha


Florian Matzner

Eine merkwürdige Szenerie: Direkt vor dem Hauptbahnhof in Paderborn steht ein Apfelbaum, auf den ersten Blick deplatziert, wirkt er doch wie eingezwängt in die stählerne Silhouette, die einen größeren, ausgewachsenen Baum nachzeichnet.

„Diese Umrisslinie“, so der Berliner Konzeptkünstler Christian Hasucha, „hat die Form des Apfelbaumes im Garten meiner Eltern. 50 Jahre später ist in Paderborn eine entsprechende Umrissschablone installiert. Ein kleines Apfelbäumchen wird hier in seine eigene Spätform hineinwachsen können.“ – Hasucha, der seine Interventionen und Skulpturen im öffentlichen Raum selbst als „Implantate“ für die Stadt bezeichnet, hat mit dem Pflanzen dieses unscheinbaren Apfelbaumes einen ebenso persönlich-emotionalen wie politisch-sozialen Akt vollzogen: Eine Nutzpflanze im Stadtraum, fast provokativ gegenüber dem Bahnhofsgebäude an der Ausfallstraße „implantiert“, geschützt durch die stählerne Silhouette, sozusagen gerahmt wie ein teures Kunstwerk, erhält eine Prominenz, die den Baum zu einem Wahrzeichen für den Vorplatz werden lässt.

Christian Hasucha hat seit Ende der 1970er-Jahre den öffentlichen Stadtraum als Handlungsort für seine oft subtil-leisen, manchmal aber auch provokativ-lautstarken Eingriffe in urbane Strukturen entdeckt, die er selbst als „Öffentliche Interventionen“ bezeichnet und sorgfältig mit einer Chronologie versieht: „später sein wird“ ist beispielsweise das „Projekt Nr. 63“, ein – so der Künstler weiter – künstlerisches „Implantat“ im Stadtgefüge, das wie sein medizinischer Namensvetter zwar in seinem direkten und konkreten Umfeld wirksam sein soll, aber ohne das Miteinander von Kunstwerk und Kontext nie seine Funktion und sein Ziel erreichen kann.

Zurück zum Bahnhofsplatz in Paderborn: Die Passant_innen und Pendler_innen, die im Stadtraum gemeinhin Zierpflanzen in entsprechenden Deko-Kübeln gewohnt sind, begegnen jetzt tagtäglich dem Apfelbaum, erleben mit ihm die verschiedenen Jahreszeiten vom ersten Treiben der Knospen im Frühling, dann die anschließende Blüte bis hin zur Ernte der reifen, essbaren Äpfel. So wird der Baum zu einer Art Zeitmaschine oder, wie es Christian Hasucha bezeichnet hat, zu einer „Art von Natur-Uhrwerk, die die vergangene und die verbleibende Zeitfrist plastisch vor Augen führt.“ Und weiter: „Ein langer Zeitraum wird begleitet, während die Konstellation stets aktuell bleibt.“

So entsteht im Laufe der Zeit ein fast intimes Verhältnis zwischen den Fußgängern und „ihrem“ Apfelbaum, ein Identitätsstiftendes Zeichen im anonymen Gehetze des Stadtraumes, auf dem Vorplatz des Bahnhofs, eines Ortes also, der in keiner deutschen Stadt als deren freundliche Sonnenseite bezeichnet werden kann: „später sein wird“ ist eine kraftvolle Metapher für Dialog und Kommunikation der Stadtgesellschaft!


Anmerkung der Stiftung
Aufgrund des anstehenden Umbaus des Paderborner Hauptbahnhofs ab 2021, wurde das Kunstwerk im Dezember 2020 vom Bahnhofsvorplatz auf die gegenüberliegende Seite vor das Finanzamt versetzt. 


Wettbewerb Stadt Paderborn

Jury*

  • Prof. Florian Matzner, Professor für Kunstgeschichte an der Akademie der Bildenden Künste München
  • Heinz Paus, Bürgermeister der Stadt Paderborn
  • Martin Recker, Vorstand der Stiftung der Sparda-Bank West, Düsseldorf
  • Manfred Stevermann, Vorstand der Stiftung der Sparda-Bank West, Düsseldorf
  • Jürgen Thurau, Vorsitzender des Kuratoriums der Stiftung der Sparda-Bank West, Düsseldorf
  • Renate Ulrich, Kunstberaterin, Mitglied des Kuratoriums der Stiftung Kunst, Kultur und Soziales der Sparda-Bank West, Düsseldorf
  • Dr. Andrea Wandschneider, Leiterin der Städtischen Museen und Galerien, Paderborn
  • Ursula Wißborn, Vorstand der Stiftung der Sparda-Bank West, Düsseldorf

*Bezeichnung der Jury zum Zeitpunkt der Ausschreibung 2011


Eingeladene Künstler_innen

  • Heike Mutter und Ulrich Genth, Hamburg
  • Christian Hasucha, Berlin
  • Jeppe Hein, Berlin
  • Raimund Kummer, Berlin
  • Olaf Metzel, Berlin
  • Verena Seibt und Clea Stracke, Berlin
  • Andreas Siekmann, Berlin


Zu Christian Hasucha

  • *1955 in Berlin
  • 1975–1982 Studium an der Universität der Künste Berlin und am Sculpture Department der Chelsea School of Art, London, Großbritannien
  • 1981 Beginn der Projektreihe „ÖFFENTLICHE INTERVENTIONEN“
  • 1999 Initiator der „Areale Neukölln“, Stadtkunst-Projekte für Berlin-Neukölln
  • 2001 Mitglied der Kommission „Kunst im öffentlichen Raum“, Berlin-Treptow
  • 2001–2004 Vertretungsprofessor für Ästhetik in Theorie und Praxis, Gesamthochschule Kassel (jetzt Universität Kassel), und Gastprofessur für „Kunst im öffentlichen Raum und neue künstlerische Strategien“, Bauhaus-Universität, Weimar

Zahlreiche Ausstellungen und öffentliche Projekte im In- und Ausland
seit 1979.Christian Hasucha lebt und arbeitet in Berlin und unterwegs.
www.hasucha.de


© Alle Rechte vorbehalten. Abdruck nur nach ausdrücklicher schriftlicher Genehmigung der Autor_innen, der Fotograf_innen und Künstler_innen sowie der Stiftung Kunst, Kultur und Soziales der Sparda-Bank West.